Nachruf:
Ernst Fritz-Leo
von Schwertner-Mitzlaff und von Gerlach
Anlässlich einer Schleppjagd im Spätsommer 1983 traf ich Ernst von Schwerdtner zum ersten Mal. Er war damals Master, gerade 50 Jahre alt geworden und seit fünf Jahren mit dem Aufbau der Vogelsberg-Meute beschäftigt. Die Tatsache, dass er einen “tierärztlichen” Jagdreiter traf, stimulierte seine Redseligkeit. Dabei sprühte er vor Humor, Charme, Sachverstand und Verbindlichkeit. Man konnte sich dem Bedürfnis, ihn gerne wiederzutreffen, kaum entziehen. Diese Eigenschaften sorgten unter anderem dafür, dass die Meute einen ständig gefüllten Jagdkalender hatte. Zwar führten seine Dispositionen schon mal dazu, dass versehentlich zwei Jagden am gleichen Tag angenommen wurden, aber erstens konnte man ihm nie etwas verübeln und zweitens verfügte er über hervorragende Improvisationsfähigkeiten.
Gerade der Aufbau einer Vereinsmeute verlangte ihm und den damaligen engagierten Mitstreitern einiges ab. Nach dem Tod von Karl Solzer als Privatmeutehalter, standen Ernst und seine Jagdfreunde vor dem Nichts. Neben der Standortsuche und Hundebetreuung waren enorme finanzielle Hürden zu überwinden. Auch hier ging Ernst ein hohes persönliches Risiko ein, obwohl er und seine Frau Gabriele in ihrem heimischen Rosenhof schon genug Last zu tragen hatten.
Jedes Problem innerhalb der Equipage und des Vereins nahm er sich an. Dabei moderierte er meist diplomatisch im Hintergrund und spann die Fäden so, dass es im Interesse des Vereins eine Lösung gab. Fehlte ein Jagdpferd am Wochenende, Ernst stellte aus dem Rosenhof-Fundus eins zur Verfügung.
Er trat nie autoritär auf und war trotzdem auch weit über die hessischen Grenzen hinweg eine Autorität, dessen Meinung man schätzte. So verlieh ihm die deutsche Schleppjagdvereinigung 2008 den neu geschaffenen Ernst von Schwerdtner-Preis, einen Trakehnerhengst als Bronzestatue: “Aufgrund seines persönlichen Engagements für unsere Sache, wegen seiner gelebten Horsemanship, seines Verständnisses von jagdreiterlicher Kameradschaft, aber auch wegen konsequenten Eintretens für die traditionellen Sitten und Gebräuche des Jagdreitens, gehört Ernst von Schwerdtner zu den Gralshütern des Jagdreitens”, hieß es in der Laudatio.
Titel und Ränge waren für Ernst unbedeutend. Im Jagdrock waren alle gleich, solange sie für Horsemanship und Jagdtradition einstanden.
Große Bedeutung hatte für ihn der Klang der Trompes de Chasse und seine persönliche Freundschaft mit der Gruppe Rallye Trompes Moselle Sarre unter Hubert Klein und der Gruppe Rallye Trompes de la Bruyère unter Klaus Tessmann. Zu seinem 80. Geburtstag 2013 sollten beide Gruppen gemeinsam auftreten.
Er wird es nicht mehr erleben. Um so intensiver lebt er in unserer Erinnerung, und wir werden mit ihm in unseren Gedanken die Vogelsberg-Meute und die Jagdtradition in seinem Sinne weiterführe
Dr. Michael Weiler im Namen des Vorstands und der Equipage des Schleppjagdvereins Vogelsberg Meute e.V.
Vita:
Fünfzehn Kilometer vom elterlichen Gut in Großendorf in Pommern entfernt lagen die Sommerweiden für die Jung- pferde. Auf dieser Strecke hat Ernst von Schwerdter als Kind mit seinem Pony erste Reiterfahrungen im Gelände gesammelt, und diese Faszination hat ihn bis heute nicht losgelassen seit er mit elf Jahren als Ältester von sechs Geschwistern die Flucht antreten musste. Mehr als dreißig Jahren war er engagierter Jagdreiter, davon sechzehn Jahre als Master der Vogelsberg-Meute. Seit 1994 war er dort Ehrenmaster und zwar alles andere als passiv. Mit seinen drei Jagdpferden hat er in der Saison 2007 in der Equipage die meisten Jagden bestritten.
Wenn er selbst nicht im Grünen Rock der VM unterwegs war, dann machte er die Equipage beritten. Oder er reitet zwischen Usedom und Bayern hinter anderen Meuten. Dazu sattelte er die beiden letzten Jagdpferde seines verstorbenen Freundes Klaus Tessmann, den Fuchs Godell und den Schimmel Griselle. Ohne viel Aufhebens hat er der Familie Tessmann in Ahlden den Abschied leicht gemacht als Deutschlands bekanntester reitende Jagdhorn-Bläser nach schwerer Krankheit gestorben war. Das bekannteste Pferd von Schwerdtners ist der Schimmel Teddy gewesen, ein Masterpferd wie aus dem Bilderbuch.
Erstes Ziel der Familie von Schwerdtner nach der Flucht aus Pommern war Wendischbora in Sachsen. Hier wurde Ernst schwer krank und in ein Sanatorium in Niedersachsen verlegt. Glück im Unglück: die ganze Familie durfte mit ihm ausreisen. Über lange Zeit blieben Pferde für den entwurzelten von Schwerdtner “eine Utopie”, aber wenigstens zur Landwirtschaft fand er zunächst zurück über ein Studium und später Anstellungen bei der DLG in Frankfurt und im hessischen Landwirtschaftsministerium. Seine Frau Gabriele Jeimke-Karge, die er in Kappeln an der Schlei geheiratet hat, teilte die geheimen Träume, und plötzlich waren die Pferde wieder da. Ein Jahr nach der Geburt von Sohn Achaz wurde 1967 der Rosenhof in Oberissigheim bei Bruchköbel gefunden, renoviert, ausgebaut. Heute stehen dort 40 Pferde und Ponys und erfreuen Ferienkinder. Nach seiner Pensionierung war Ernst von Schwerdtner dort für die Organisation vor allem der Futterbeschaffung zuständig und half seiner Tochter Alice Knop-von Schwerdter, die den Rosenhof nach dem Tod ihrer Mutter 2002 übernommen hat. Alice hat die Leidenschaft des Vater für schnelles Galoppieren geerbt und war lange im Vielseitigkeitssport aktiv.
Über befreundete Reiter kam von Schwerdter zur Vogelsberg-Meute. Die stand vor der Auflösung als der damalige Master, der die Beagles als Privatmeute führte, plötzlich starb. “Verkauf ans Labor kam nicht in Frage”, stand für von Schwerdtner fest. Nachdem die bisherige Equipage ihre weitere Unterstützung zugesagt hatte, forcierte er mit seinen Freunden die Umwandlung in einen Verein. Neben der Vogelsberg-Meute engagierte sich von Schwerdtner auch im Jagd-Club-Hofgut-Hauenstein bei Aschaffenburg, den er mit begründet hat und zwanzig Jahre als Vorsitzender führte. Dafür hatte er den Vorsitz über den Reiterbund des Main-Kinzig-Kreis aufgegeben: 4000 Mitglieder in 50 Vereinen. Alle seine Ehrenämter in der Reiterei standen unter dem Gebot eines gutnachbarlichen Verhältnisses und ohne Konkurrenzansprüche, dafür mit der unumstößlichen Forderung nach Reiten in der freien Natur, nach Jugendarbeit und ohne elitäres Denken. “Alle Turnierreiter in Hauenstein müssen auch im Gelände starten”, betont von Schwerdtner. Kein unzumutbares Opfer, denn das Gelände ist erstklassig.
Am 3. Juni 2008 wurde Ernst von Schwerdtner 75 Jahre alt, und für den ersten Herbst nach seiner schweren Herzoperation 2007 hatte er große Pläne. “Dann geht es wieder los”, kündigte er an. Nicht zuletzt bei einer großen Einladungsjagd im Oktober anlässlich des runden Geburtstags.
Text: Petra Schlemm
DSJV ehrt Ernst von Schwerdtner
Mit einer besonderen Ehrung hat die Deutsche Schleppjagdvereinigung (DSJV) jetzt Ernst von Schwerdtner (Bruchköbel) ausgezeichnet für seine Verdienste um den “Sport in Rot”. DSJV-Vorsitzender Stefan Entel (Stavelot/Belgien) Überreichte das Bronze-Abbild eines Trakehnerhengstes im perfekten Hunter-Typ an den Ehrenmaster der Vogelsbergmeute im Rahmen einer Jubiläumsfeier zum 75.Geburtstag. “Aufgrund seines persönlichen Engagements für unsere Sache, wegen seiner gelebten Horsemanship, seines Verständnisses von jagdreiterlicher Kameradschaft, aber auch wegen konsequenten Eintretens für die traditionellen Sitten und Gebräuche des Jagdreitens gehört Ernst von Schwerdtner zu den Gralshütern des Jagdreitens”, hieß es in der Laudatio nach einem perfekten Jagdtag hinter der Vogelsbergmeute rund um die Ronneburg. Der Jubilar und Jagdherr hatte dazu zehn Schleppen gelegt und seinen Gästen einen denkwürdigen Tag und Abend bereitet.
Ernst von Schwerdtner ist seit 30 Jahren der Equipage der Vogelsberg-Meute verbunden, zunächst als Master, jetzt als Ehrenmaster. Seit 20 Jahren führt er aktiv den Jagd-Club Hofgut Hauenstein. “Es kommt uns darauf an deutlich zu machen, dass Ernst von Schwerdtner ein Vorbild für zukünftige Generationen von Jagdreitern ist”, betonte Stefan Entel.
Die Deutsche Schleppjagdvereinigung bildet die Fachgruppe Jagdreiten im Deutschen Reiter- und Fahrer-Verband. Ihr gehören 24 Mitgliedsmeuten an. Die mit Hilfe von Bernd Eylers (Hude) realisierte Bronze wurde als “Ernst-von-Schwerdtner-Preis” zum ersten Mal verliehen.
Der Festtag rund um die Ronneburg war eine Sternstunde des Jagdreiter-Herbst 2008: Tolles Wetter, eine elegante Wegführung über zehn Schleppen in den Ausläufern des Vogelsberges und des Gründautales, laut und geschlossen jagende Beagles, gute Sprünge, eine fröhliche Jagdgesellschaft und vor allem ein sprühender Jagdherr: als erster am Telefon um “last minute”-Organisation zu regeln, als erster und schnellster auf den Schleppen und als letzter am nächsten Morgen auf der Tanzfläche.
Dort hatten zuvor zwei unterschiedliche Musikgruppen ihren Auftritt: Die Musiker der Rallye Trompes Moselle-Sarre unter Leitung des Elsässers Hubert Klein und die Equipage der VM mit Dr. Michael Weiler als Taktgeber. Die Mitreiter des Jubilars sangen ein eigens komponiertes Ständchen und die Damen ließen “ihrem Ernst” rote Rosen regnen. Das Fazit von Hubert Klein zu dem Festtag zum Jubiläumsjahr an der Ronneburg mochten wohl alle Gäste unterschreiben: ”Wir erleben Sachen, die andere noch nicht einmal im Fernsehen sehen können.”Im festlichen Bandsaal der Ronneburg: Ernst von Schwerdtner bedankt sich humorvoll und bescheiden bei Stefan Entel für die Auszeichnung der Deutschen Schleppjagdvereinigung. Neu geschaffen als “Ernst von Schwerdtner-Preis”: Ein Trakehnerhengst im perfekten Hunter-Typ. Der Sockel trägt die Inschrift “In Anerkennung herausragender Verdienste um die deutsche Schleppjagd”.
Text: Petra Schlemm